Stadtspaziergang durch die Quartiere des Stuttgarter Westens
29. März 2025 – Silvia
Mit dem Geschichts- und Architekturexperten Herbert Medek erkundeten 23 Ciao-Mitglieder und drei Gäste an einem kühlen, aber regenfreien Samstag die unbekannteren Ecken des Stuttgarter Westens.
Wir starteten am Feuersee, der früheren Zigeunerinsel, nach dem auch der Stuttgarter Karnevalsverein benannt wurde. Der See wurde zum Feuerlöschen benötigt. 1864 wurde der Grundstein für die Johanneskirche gelegt, die am See liegt. Um 1817 siedelten sich hier Industriebetriebe an, mit der Gewerbefreiheit 1861 kam es zu einem Boom, neben vielen Brauereien gab es unter anderem 82 Klavierhersteller! In einem Hinterhof entwickelte Robert Bosch in einer Werkstatt Feinmechanik und Elektrotechnik, die Firma Waldbaur stellte Schokolade her, heute erinnert nur noch die historische Fassade daran.
Nachdem die Fabriken wegzogen, folgten Handwerksbetriebe. Der Westbahnhof der für den Güterverkehr wichtig war, wurde stillgelegt. Unter dem OB Manfred Rommel wurden Blocks entkernt, es entstanden Parkhäuser, Grünanlagen und Spielplätze, in den 80er Jahren Einbahnstrassen. So wurde der Westen zu einem ruhigeren Wohngebiet. Wir hörten die Geschichte vom Gänse-Peter, dem ein Denkmal gewidmet wurde – eingeweiht am Martinstag 1901. Erfuhren mehr über die Tradition der Bierbrauer im Westen, die in Konkurrenz zu den Weinbauern standen.
Bis 1967 befand sich der Betriebshof der Stuttgarter Straßenbahnen in der Rotebühl-/Schwabstrasse. Kaum zu glauben, dass eine Bahn den noch vorhandenen, schmalen Torbogen passieren konnte.

Mit Blick auf den Schwabtunnel, benannt nach dem Herausgeber der „Deutschen Heldensagen“ Gustav Schwab, erzählte uns Herr Medek, dass es sich um den ersten Tunnel handelte, durch den ein Kraftfahrzeug fuhr. Bis 1972 wurde dieser auch von Straßenbahnen genutzt. Vor einem großen ehemaligen Fabrikgebäude erfuhren wir, dass hier Jakob Bleyle Trikotagen fertigte, unter anderem Matrosenanzüge. Ein Teilnehmer erinnerte sich noch daran, wie kratzig diese waren.
In einem ruhigen Innenhof, der auch als Spielplatz genutzt wird, erfuhren wir mehr über das „Stuttgarter Dach“, die Kanalanschlüsse in den 1930er-Jahren, dass bis heute noch 1/4 der Wohnungen im Westen kein Bad hat, sondern z.B. nur eine Wanne in der Küche. Wir bewunderten den Fassadenschmuck der Häuser, die alle unterschiedlich gestaltet wurden. Im Roßbollengässle erinnert noch die Pferdeskulptur an die Möbelspedition Weiß mit ihren Stallungen für die Fiaker. Wir kamen an der Kirche St. Elisabeth vorbei, hörten die Geschichte vom Kinderkrankenhaus „Olgäle“ als Reaktion auf die hohe Kindersterblichkeit im 19. Jahrhundert und entdeckten ein trutziges Gebäude, Poenitiarhaus genannt. Es war ein Zuchthaus, heute wird es als Wohnhaus genutzt.
Kurz vor Ende unserer erlebnisreichen und spannenden Führung, streiften wir noch die ehemaligen, leerstehenden Gebäude einer Versicherung. Teilweise werden diese künstlerisch genutzt, es bleibt abzuwarten, was hier noch entsteht. Im letzten Winter erfreute ein Punschwald mit 1000 Tannen die Stuttgarter und ihre Gäste.
Unser Ausklang fand bei netten Gesprächen im Schönbuch-Bräu statt.